Die Dynamik innerhalb von Geschwisterbeziehungen
Geschwisterbeziehungen können eine komplexe Mischung aus Liebe, Rivalität, Unterstützung und Konflikten darstellen. In vielen Fällen spielen Geschwister eine bedeutende Rolle in unserem Leben und prägen unsere Identität sowie unser Verständnis von Beziehungen und Bindungen. Doch in manchen Familien können Geschwister auch Traumata erleben, die ihr Leben lang anhalten können. Destruktive Beziehungsmuster, von Eltern vorgelebt, finden sich leider gelegentlich auch zwischen den Geschwisterbeziehungen wieder und können diese dauerhaft schädigen.
Formen von Traumata
Traumata unter Geschwisterbeziehungen können verschiedene Formen annehmen. Sie können durch Vernachlässigung, Missbrauch, emotionale Misshandlung oder das (gemeinsame) Bezeugen von Gewalt in der Familie entstehen. Geschwister können auch unter den Auswirkungen von elterlicher Sucht, psychischen Erkrankungen oder anderen belastenden Familienumständen leiden.
Auswirkungen von Traumata auf Geschwisterbeziehungen
Ein Trauma in der Kindheit kann die Beziehung zwischen Geschwistern auf vielfältige Weise beeinflussen. Manchmal kann es zu einer engeren Bindung führen, da die Geschwister sich gegenseitig Trost und Unterstützung bieten, um mit den erlebten Traumata umzugehen. In anderen Fällen kann es zu einer Entfremdung führen, wenn die Geschwister unterschiedliche Bewältigungsstrategien entwickeln oder Schwierigkeiten haben, miteinander zu kommunizieren.
Langfristige Auswirkungen und Unterstützung
Traumata können langfristige Auswirkungen auf die individuelle psychische Gesundheit haben. Geschwister, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, können ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Angstzustände, die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), dissoziative Störungen oder andere psychische Probleme haben. Diese Herausforderungen können die Beziehung zwischen den Geschwistern weiter belasten, da sie möglicherweise Schwierigkeiten haben, sich gegenseitig zu verstehen oder angemessen zu unterstützen.

Es ist wichtig, dass Traumata unter Geschwisterbeziehungen ernst genommen werden. Professionelle Hilfe, wie Therapie oder Beratung, kann für Geschwister, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, von entscheidender Bedeutung sein, um ihnen zu helfen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und gesunde Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Offene Kommunikation, gegenseitiges Verständnis und Empathie können ebenfalls dazu beitragen, die Bindung zwischen Geschwistern zu stärken und ihnen dabei zu helfen, gemeinsam durch schwierige Zeiten zu gehen.
Förderung gesunder Geschwisterbeziehungen
Letztendlich ist es wichtig zu erkennen, dass Traumata in Geschwisterbeziehungen eine komplexe Dynamik schaffen können, die Zeit, Geduld und Unterstützung erfordert, um sie zu überwinden. Indem wir die Bedeutung von Trauma in Geschwisterbeziehungen anerkennen und angemessen darauf reagieren, können wir dazu beitragen, das Wohlergehen und dauerhaft konstruktive Beziehungen zwischen Geschwistern zu fördern.

Comments 3
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Liebe Yvonne,
herzlichen Dank, dass Sie so offen Ihre Erfahrungen und Gedanken mit uns teilen. Es tut uns leid zu hören, dass Sie und Ihre Zwillingsschwester eine so schwierige Zeit durchgemacht haben, und wir können nur erahnen, wie belastend die Situation für Sie beide gewesen sein muss. Es ist unglaublich mutig von Ihnen, sich mit diesen schwierigen Themen auseinanderzusetzen, und wir bewundern Ihren Weg, durch den Klinikaufenthalt Unterstützung zu suchen.
Geschwisterbeziehungen sind oft tief und komplex, besonders wenn gemeinsame traumatische Erfahrungen gemacht wurden. Es ist verständlich, dass die Dynamik sich verändert, wenn Verletzungen – bewusst oder unbewusst – weitergegeben werden. Es klingt, als wären Sie auf einem wichtigen Heilungsweg.
Haben Sie eine konkrete Weiter- oder Fortbildung im Blick? Studieren Sie etwas pädagogisches oder Psychologie?
Wir wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren Weg auf jeden Fall viel Kraft und dass Sie die Unterstützung finden, die Sie brauchen.
Herzliche Grüße,
Ihr IPKJ-Team
Ich bin als Kind sehr häufig Ohren- und Augenzeugin von unangebrachten und überzogen gewaltsamen, körperlichen Strafen meiner Geschwister geworden.
Das hat mich nachhaltig geprägt und und auch in panische Angst versetzt. Ich habe mich nicht getraut Fehler zu machen.
Als ich einmal gewagt habe, über meine Gefühle und Probleme mit diesen Vorkommnissen zu sprechen, kam (vom Täter) nur ein verständnisloses: „Was hast du denn damit zu tun ?“
Diese Aussage war sehr verletzend und hat ein tiefes Urmisstrauen gegenüber allen Menschen hinterlassen.
Sehr lange war ich nicht in der Lage jemand an mich heranzulassen oder überhaupt Vertrauen aufzubauen. Ich habe noch heute meine Schwierigkeiten damit.
Besonders gegenüber meinem älteren Bruder, der für alles seinen Kopf hinhalten musste.
Ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist und ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber und sehr viele Schuldgefühle.
Wir schleichen schon seit wir Kinder waren, um uns herum, wie die Katze um den heißen Brei. Ich kann ihm nicht mal in die Augen sehen oder ihm die Hand zum Gruß geben. Ich weiß, dass er über seine Erfahrungen in der Kindheit nicht sprechen kann und immer noch sehr darunter leidet – genau wie ich.
Bei den jüngeren Geschwistern ist es anders. Warum ist das so? Das tut mir jedes Mal in der Seele weh! 😢
Ich habe bis vor kurzem gedacht, ich wäre darüber hinweg. Aber in einem Gespräch mit meiner Mutter sind Details aufgekommen, die ich nicht wissen wollte. Und jetzt kommt alles wieder hoch. Dabei ist das schon so lange her, 25-30 Jahre.
Es belastet mich, meinen Alltag, meine Psyche und meine Beziehung.
Und ich hasse es! Alles daran!
Author
Vielen Dank, dass Sie Ihre Geschichte hier so offen teilen. Es erfordert großen Mut, über solche belastenden Erfahrungen zu sprechen, gerade wenn sie so lange zurückliegen und trotzdem noch so wirksam sind. Was Sie beschreiben, ist leider etwas, das oft zu wenig beachtet wird: Auch „nur“ dabei zu sein, wenn anderen Gewalt angetan wird – als Augen- oder Ohrenzeugin – kann ein tiefes Trauma hinterlassen. Das Gefühl der Ohnmacht, der Angst, der ständigen Anspannung, aber auch der Loyalitätskonflikte innerhalb der Familie können das ganze Leben prägen. Dass jetzt, nach einem Gespräch mit Ihrer Mutter, alte Erinnerungen und Gefühle wieder aufbrechen, ist ebenfalls eine ganz normale Reaktion. Traumata arbeiten oft im Verborgenen weiter, auch wenn wir glauben, es „abgehakt“ zu haben. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Sie sich Unterstützung holen, um diesen Prozess nicht alleine durchstehen zu müssen – sei es in einer therapeutischen Begleitung, einer Beratungsstelle oder in einem geschützten Gesprächskreis. Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen.
Wir wünschen Ihnen von Herzen viel Kraft auf Ihrem weiteren Weg. Danke, dass Sie Ihre Erfahrungen hier geteilt haben – wir sind sicher, dass sich viele Leser:innen darin wiederfinden können.