Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie für Kinder und Jugendliche (PITT-KID) ist eine manualisierte Behandlungsmethode, die für akute und komplexe Trauma-Folgestörungen entwickelt wurde. Sie basiert auf der PITT von Luise Reddemann und enthält entwicklungs- und ressourcenorientierte Elemente, die auf die Herausforderungen der Therapie von Kindern und Jugendlichen zugeschnitten wurden. Sie bietet somit als erstes psychodynamisch fundiertes Verfahren eine traumaspezifische Behandlungsmethode für Kinder und Jugendliche. Die Konzeption geht von einem neurobiologischen Entstehungsmodell der Trauma-Folgestörungen i. e. S. (Posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Störungen) aus.
„Integration von Imagination, Achtsamkeit, Trainingselementen und kognitiver Umstrukturierung in eine psychodynamisch orientierte therapeutische Strategie und Beziehungsgestaltung mit der Patientin und ihrem geeigneten sozialen Umfeld“ so beschreibt Krüger das Therapieverfahren auf den Punkt gebracht. PITT-KID ist durch seine psychodynamische Ausrichtung auch für schwere und (früh) chronisch-komplex traumatisierte, bindungsgestörte Kinder und Jugendliche eine effiziente, schonende Behandlungsmethode. Die Konzeption wurde an die Phasen kindlicher Entwicklung angepasst und kann für Kinder ab einem Alter von zwei Jahren eingesetzt werden.
Ressourcenorientierung heißt, den Blick immer wieder auf das Positive zu lenken – die Fähigkeiten und Talente der Kinder – um somit die Therapiemotivation zu erhalten und den Selbstheilungsprozess der Patienten zu fördern. Das Kind mit seinen Ressourcen steht hierbei im Mittelpunkt der Arbeit, gleichzeitig ist das Einbeziehen des direkten Umfeldes des Kindes in einer sog. partizipativen Allianz ein wichtiges Prinzip der Behandlung. Es geht um eine sehr konkrete partnerschaftliche Zusammenarbeit mit (geeigneten) Bezugspersonen; es geht darum, eine Art „Pakt“ zu schließen, um gemeinsam mit dem Kind und den Bezugspersonen die Seelenwunden zu erkennen und gut zu versorgen. Ein sicheres und verständnisvolles Umfeld wird benötigt, um den Patienten bestmöglich in seinem Heilungsprozess zu unterstützen – in der Therapie und zu Hause.
Die Methode ist nicht exklusiv psychodynamisch ausgerichtet. Vielmehr integriert PITT-KID psychoedukative, imaginative und systemtherapeutische Elemente; sie bedient sich kognitiver Arbeit mit vielen, mittlerweile auch in der pädagogischen Arbeit weit verbreiteten, anschaulichen Bildsprachelementen, um das Trauma und seine Folgen für alle Beteiligten verstehbar zu machen.
PITT-KID als manualisiertes Behandlungsverfahren ist am Drei-Phasen-Modell von Janet orientiert. Neben einem „roten Faden“, der einem klar strukturierten Behandlungskonzept entspricht, ist das Vorgehen gleichzeitig an der Lebenswirklichkeit der Patientin orientiert. Dem Prinzip „First things first“ folgend, orientiert sich das Vorgehen an akuten, heilungsrelevanten Bedürfnissen von Kind und sozialem Umfeld. Stets werden die nächsten Schritte zusammen mit dem Patienten abgesprochen und das Einverständnis in einem ritualisierten Feedbackmechanismus eingeholt, um dem Patienten nachhaltig Kontrolle über den Prozess zu ermöglichen. Das Miteinander, die Arbeit in der „heilsamen Gemeinschaft“ ist wichtig für heilsame Beziehungserfahrungen im Therapieprozess.
In der Stabilisierungs- und Distanzierungsphase geht es zunächst darum, das Kind in seinem Leid zu erkennen und Ernst zu nehmen. Der „Stier“ wird bei den „Hörnern gepackt“: Die Reduktion der am stärksten belastenden Symptome (meist Flashbacks, Hyperarousal, Dissoziationen) wird angestrebt. Dies gelingt auch durch Einüben von Distanzierungs- und Stabilisierungstechnicken. Eine tiefgreifende emotionale Verarbeitung in Form einer Konfrontation wird schonend erst im späteren Verlauf der Behandlung vorgenommen, wenn die traumatischen Ereignisse bildhaft erinnerbar sind. Zunächst muss eine ausreichende innere und äußere Sicherheit hergestellt sein.
Die Ego-State-Arbeit eröffnet hier eine differenzierte, maximal ich-stärkende Betrachtung und Nutzung ressourcenvoller und defizitärer Zustände der Patientin. Z. B. eignet sich die Sicht auf verschiedene Anteile in der Patientin immer wieder zum „Realitätscheck“ — ist es das Ich von hier und heute was so schmerzlich fühlt oder ist das der verletzte Anteil? Fürsorgefunktionen – Empathie und Mitgefühl - können gezielt von Kind, Bezugsperson und Therapeutin auf diese verletzten Anteile gerichtet werden. Heilsame Rituale können in der Ego-State-Konzeption von PITT-KID mit Hilfe spieltherapeutischer Elemente sowie imaginativer Techniken eingeübt werden und führen zu nachhaltigen Veränderungen der Beziehung zu sich selbst und der sozialen Umgebung.
Ist der Patient ausreichend stabilisiert, kann bei gegebener Indikation und nach Rücksprache mit der Patientin eine gezielte Traumabearbeitung vorgenommen werden. Dies geschieht in Form der Bildschirm-Beobachter-Technik (BBT). Einer behutsamen, imaginativen Technik der Traumakonfrontation, in der die Patientin von der Therapeutin einfühlsam begleitet wird durch die schmerzhaften Erfahrungen von damals.
Die letzte, dritte Therapiephase bietet Raum für die Integration der traumatischen Erfahrungen, es geht um Trauerarbeit: bezüglich des Verlustes – von guter Zeit, Entwicklungschancen, Beziehungen, seelischer Integrität und Vertrauen. Der Neubeginn, die Zukunft mit ihren Möglichkeiten der Transformation von Trauma zu Lebendigkeit, Glück, guten Beziehungen und Kreativität werden ausgelotet und erste Schritte der Patientin gemeinsam mit dem sozialen Umfeld konstruktiv gefördert und begleitet.
Andere Anwendungsbereiche der PITT-KID:
Das Konzept findet als eines der ersten Traumatherapie-Konzepte für den Bereich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen seit über 20 Jahren Anwendung. Es fand zunächst Anwendung in der Traumatherapie, der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV), später auch in der Traumapädagogik und anderen Feldern der psychosozialen Arbeit. Neben den Fachbüchern von Andreas Krüger dienen hier auch Sachbücher der Umsetzung einer traumasensiblen Arbeit in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern. Hier sei auf die „Powerbooks“ und das „Erste-Hilfe-Buch“ hingewiesen, dass Erwachsenen die Unterstützung traumatisierter Kinder und Jugendlicher erleichtert. Zahlreiche Fachartikel und Buchbeiträge sowie Medienbeiträge (TV, Rundfunk, Podcast usw., s. Medien und Literatur) ermöglichen Fachkolleginnen und -kollegen in verschiedenen Bereichen eine Vertiefung des Ansatzes von Andreas Krüger (Auswahl: s. Literaturliste)