Diagnostik

Erkennen von Traumafolgen bei jungen Patient:innen: Diagnostische Hürden und rechtliche Implikationen

Grundsätzliche Überlegungen

Die Diagnose von Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen ist eine Herausforderung für Kliniker:innen. Diagnostische Kriterien von Posttraumatischer Belastungsstörung sowie dissoziativen Störungen sind auf Erwachsene gemünzt, was zu Fehldiagnosen führt. Die Folgen früher Traumatisierungen werden als Trauma-Folgestörungen unzureichend abgebildet. Es mangelt zudem bei vielen Therapeut:innen an vertiefter klinischer Erfahrung im diagnostischen Prozess. Trotz vorhandener testpsychologischer Verfahren fehlt oft eine umfassende Anwendung in der Praxis, wenn die Erkenntnisse der Testpsychologie die klinische Einschätzung differenzieren hilft.

Die Diagnose von Trauma-Folgestörungen ist jedoch die Grundlage für eine adäquate Behandlung und spielt eine wichtige Rolle auch im gutachterlichen Kontext sowie in der Forschung. Angesichts hoher Prävalenzraten nur allein der der Posttraumatischen Belastungsstörung bei jungen Menschen ist es essenziell, dass Kliniker:innen und Gutachter:innen sicher im Erkennen von Traumafolgestörungen sind und die klinische Diagnostik sicher beherrschen sowie entsprechende testpsychologische Verfahren regelmäßig anwenden. Auch kommt es auf einen trauma-sensiblen Untersuchungsprozess bei dieser oftmals psychisch stark beeinträchtigten Klientel an.

Die Bedeutung einer präzisen Diagnostik für die Therapieindikation

Das rechtzeitige Erkennen von Trauma-Folgestörungen und auch häufig assoziierten anderen psychischen Störungen, ist von entscheidender sekundär präventiver Bedeutung, um Betroffenen frühzeitig die notwendige therapeutische Unterstützung zukommen zu lassen und weiteres Leid, das durch diese schweren psychischen Störungen ausgelöst wird, zu ersparen.

Auch die Auswahl einer geeigneten traumatherapeutischen Vorgehensweise hängt maßgeblich von der Diagnose ab. Eine präzise Diagnostik ermöglicht eine klarere Prognose sowie die Möglichkeit, die Therapie auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten und seines sozialen Umfeldes abzustimmen und den bestmöglichen Behandlungsverlauf zu erzielen.

Zeitnahe Diagnostik in der therapeutischen und rechtlichen Praxis

Eine zeitnahe Diagnose von Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen ist also nicht nur entscheidend für die frühzeitige Bereitstellung therapeutischer Unterstützung. Diese rechtzeitige Diagnose hat nicht nur direkte Auswirkungen auf den Therapieerfolg, sondern spielt auch eine bedeutende Rolle in juristischen Belangen wie dem Sorge-/Umgangsrecht und strafrechtlichen Fragestellungen.

Multiprofessionelle Arbeit im diagnostischen Prozess

Die systematische Erfassung mutmaßlich trauma-assoziierter Beeinträchtigungen erfordert die aktive Mitarbeit aller an Hilfemaßnahmen Beteiligter und sollte nicht nur eine Domäne von Traumatherapie und Psychiatrie sein. Jugendhilfemitarbeiter/-innen haben den engsten Kontakt zu den Betroffenen und liefern so die differenziertesten Informationen aus dem Alltagleben der Patientin. In der Diagnostik von Traumafolgestörungen bei jungen Patient:innen spielen so nicht nur klinische Fachkräfte eine entscheidende Rolle, sondern auch Jugendhilfemitarbeiter:innen, die oft den ersten und intensivsten Kontakt zu den betroffenen Kindern und Jugendlichen haben. Ihre Mitarbeit ist unerlässlich für eine umfassende Einschätzung der Beeinträchtigungen und eine frühzeitige Einleitung geeigneter Hilfemaßnahmen. Diese umfassen, neben therapeutischen Maßnahmen, auch ein trauma-sensibles Vorgehen in allen Hilfekontexten. Durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten kann sichergestellt werden, dass trauma-assoziierte Beeinträchtigungen übersehen werden und die betroffenen jungen Menschen die bestmögliche Unterstützung erhalten.

Unser dreitägiges Diagnostik-Seminar bietet Ihnen umfassendes Wissen und praktische Übungen zur Erfassung von Traumafolgestörungen und dissoziativen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Sie lernen wichtige diagnostische Interviews und Fragebögen (Selbst- und Fremdeinschätzung) kennen, die den Altersbereich von 3 bis 18 Jahren abdecken. Neben der ausführlichen Vorstellung der Verfahren werden Ihnen Gütekriterien, Auswertung sowie Vor- und Nachteile praxisnah vermittelt. Sie erhalten zudem wertvolle Einblicke in die testpsychologische Untersuchungssituation und die Übermittlung der Ergebnisse.

Das Seminar richtet sich an Traumatherapeuten, Paar- und Familientherapeuten, (Sozial-)Pädagogen mit therapeutischer Weiterbildung sowie qualifizierte Mitarbeiter der sozialen Dienste. Es ist ideal als Ergänzung zu bereits erlernten traumatherapeutischen Methoden wie EMDR, PITT-KID oder KBT-tf. Akkreditiert von der Ärztekammer Hamburg, bietet der Workshop sowohl theoretischen Hintergrund als auch praktische Übungen und stellt Ihnen umfangreiches Testmaterial zur Verfügung.

Nutzen Sie diese Gelegenheit, Ihre diagnostischen Fähigkeiten zu vertiefen und Sicherheit im Umgang mit traumatisierten Menschen zu gewinnen!

Der Traumapsychologischer Symptom- und Resilienzfragebogen (TPSR) und seine Bedeutung für die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse

Die Anwendung des TPSR kann nicht nur dazu beitragen, eine tiefere Beziehung über eine Kommunikation über leidvolle Beeinträchtigungen zu den betroffenen jungen Menschen aufzubauen, sondern auch dabei helfen, trauma-assoziierte Ursachenprinzipien für Konflikte im Jugendhilfealltag zu erkennen und dann gemeinsam zu bewältigen. Mitgefühl sowie Solidarität werden über den gemeinsamen diagnostischen Erkenntnisprozess gefördert. Durch den Einsatz solcher Methoden können wir nicht nur die Symptome von Traumafolgestörungen besser verstehen, sondern auch einen unterstützenden Rahmen schaffen, der den Heilungsprozess fördert und die Resilienz der Betroffenen stärkt. 

Der TPSR kann bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen ca. fünf und 22 Jahren eingesetzt werden. Für die jungen Menschen entsteht im Kontext traumapädagogischer und sozialer Arbeit einmal mehr die Überzeugung „Nicht ich bin „verrückt“, mit all den störenden Beeinträchtigungen, diese sind völlig „normal“ – das, was ich erlebt habe, das ist „verrückt““. Ziel des innovativen Fragebogens ist die Einbindung in traumapädagogische/ und soziale Ansätze, welche den jungen Menschen ermöglichen, ihre Erfahrungen und „Störungen“ gemeinsam mit den Bezugspersonen besser zu verstehen und so zu verarbeiten. Sie lernen, dass ihre Reaktionen auf traumatische Erlebnisse normal sind und dass sie nicht allein damit sind. Diese Erkenntnis kann dazu beitragen, Stigmatisierung entgegenzuwirken und den Betroffenen ein Gefühl der Normalität und Akzeptanz zu vermitteln sowie Selbstwirksamkeitserfahrungen im konstruktiven Umgang mit Trauma-Folgestörungen zu machen.

Optimiertes Schnittstellenmanagement im Trauma-Kontext durch den TPSR

Der TPSR dient weiterhin einem optimierten Schnittstellenmanagement im Trauma-Kontext und kann zur Sicherung des Kindeswohls eingesetzt werden. Die Integration des Traumappädagogischen Ansatzes in das Schnittstellenmanagement im Trauma-Kontext kann dazu beitragen, sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der betroffenen Kinder und Jugendlichen ganzheitlich, im multiprofessionellen Kontext berücksichtigt werden. Durch eine effektive, trauma-sensible Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachkräften und Einrichtungen kann sichergestellt werden, dass keine Versorgungslücken entstehen und das Wohl der Kinder und Jugendlichen durch ein konzertiertes Vorgehen der Vertreter:innen der Hilfestellen gewährleistet ist.

Die Rolle der Diagnose von Traumafolgestörungen im juristischen Kontext

Des weiteren spielt die Diagnose auch eine entscheidende Rolle in juristischen Belangen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Sorge-/Umgangsrecht und strafrechtlichen Fragestellungen. Hier stehen sich oft z. B. Elternrecht und Kindeswohl als juristische Dimensionen gegenüber. Eine differenzierte traumapsychologisch fiundierte Diagnostik kann bei Rechtsstreitigkeiten als wichtige Information dienen, um das Kindeswohl angemessen zu berücksichtigen. Eine präzise Diagnostik kann dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Kindes zu stärken und ihm gerechte Unterstützung zukommen zu lassen.

Insgesamt ist die rechtzeitige und präzise Diagnose von Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen von entscheidender Bedeutung, um ihnen angemessene Unterstützung und Behandlung zukommen zu lassen sowie ihre Rechte in rechtlichen Angelegenheiten zu schützen. Es ist wichtig, dass Kliniker:innen und Gutachter:innen die Bedeutung einer umfassenden Anwendung testpsychologischer Verfahren verstehen und geeignete, trauma-sensible Vorgehensweisen im diagnostischen Prozess mit den Patienten beachten, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen und rechtliche Belange adäquat zu berücksichtigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert